• Straßenarbeiterinnen-indischer-Himalaja

Manali – Leh – Ladakh – Indien

Mountainbike-Expedition über den indischen Himalaya.

Manali – Leh

Allein mit dem Mountainbike über den Himalaya.

8 Monate Training und rund 5000 km liegen hinter uns. Die letzten Vorbereitungen laufen auf Hochtouren als mir mein Freund Michael, vier Tage vor Abflug mitteilt, dass er aus wichtigen persönlichen Gründen nicht mitfahren kann. Somit geht es allein auf die Reise.

Freitag, 06.07.2001

Der Abschied am Flughafen Münster-Osnabrück ist wunderschön. Meine beiden Kinder Janosch und Marie und Freunde sind gekommen um mich zu verabschieden. Als ich sie nach all den Umarmungen und Küssen verlasse und durch die „Einchecktür“ gehe fließen die Tränen.

Samstag, 07.07.2001

Ein Uhr in der Nacht ist Delhi-International-Airport erreicht. Mit dem Taxi geht es zum Bahnhof. Zum ersten Mal im Leben begegnet mir das wirkliche Elend – aber hier soll es ja um die Tour gehen. Per Bus und Bike und Taxi geht es zum Fuße des Himalayas, nach Manali (1926 m).

Montag, 09.07.2001

2 Tage vergehen zur Akklimatisation, wobei es tagsüber sehr heiß und abends bzw. des Nachts es wie aus Kübeln schüttet. Die Wolken regnen sich auf den Hängen der ersten 4000er aus. Zum Glück liege ich in meinem Schlafsack in einem kleinen „Hotelzimmer“.

Mittwoch, 11.07.2001

Um 9:40 Uhr geht es endlich los, vorher goss es in Strömen. Die 1. Etappe sollte von Manali (1926 m) nach Marhi (3320 m) auf dem Weg zum Rothang-Pass gelegen führen.

Nach ca. 10 km lud ein am Straßenrand liegendes Cafe mit Außenterrasse zum Frühstück ein. Auf dem Parkplatz standen ein kleiner Bus und ein Jeep. Ca. 10 Mountainbiker stürmten aus dem Bus und von der Terrasse kommend auf mich zu, zuckten ihre Kameras und… fotografierten mein Mountainbike. Na, so etwas? Wie sich herausstellte wollten sie dieselbe Tour fahren wie ich, lediglich hatten sie bei einem Reiseunternehmen allen Komfort gebucht, wie einen Begleitbus und Jeep, der während der Fahrt die Biker versorgt. Natürlich stehen dann abends auch die Zelte aufgebaut bereit und das Essen ist zubereitet. Jemanden mit Gepäck und allein hatten sie wohl nicht erwartet.

Um 15:20 Uhr erreichte ich nach einem kleinen Wettrennen mit der Buscrew nach 4:24 Std. reiner Fahrzeit und 38 km in den Beinen Marhi (3320 m). Der Compi am Bike spuckte weiterhin die Daten von 1612 Uphillmetern und 259 Downhillmetern aus.

Das in der Karte eingezeichnete Guest House war verriegelt. Die kleine Zeltstadt war ausgebucht, kein Lager mehr zu ergattern, jedoch gab es eine warme Mahlzeit und Getränke zu kaufen.

Mehr und mehr zogen tiefgraue Wolken aus dem Tal kommend hinauf. Leicht war zu erraten, was wenige Stunden später sich zutragen würde. Das Regeninferno der vergangenen zwei Nächte im Gedächtnis machte den Entschluss leicht weiter zu fahren. Nach weiteren 18 km war kurz vor 20 Uhr der Rothang-Pass auf einer Höhe von 4060 m erreicht – mein erster 4000er (der höchste fahrbare Pass in den Alpen ist das Madrischjoch und beträgt ca. 3170 m Höhe).

Ein Gefühl von Freude, Kraft und Freiheit durchströmte mich, kein Mensch weit und breit, lediglich Wolken, welche eine maximale Sichtweite von ca. fünfzig Metern erlaubten. Damit einhergehend kam die Dunkelheit und die Kälte. Nach dem Anziehen von Fleecepullover, Beinlingen und Regenjacke ging es hinunter. Es wurde stockdunkel und regnete immer wieder. Zwischendurch, wenn gerade mal keine Wolke sich ergoss funkelten die Sterne am schwarzen Firmament. Irgendwann begab ich mich mit eiskalten Fingern auf der Suche nach der Stirnlampe, müßig zu erzählen, dass sie sich in der letzten Packtasche befand. Seitdem liegt sie immer griffbereit in der Rahmentasche.
Die Fahrt ging weiter, immer bergab. Zwangspausen wurden eingelegt, da die Finger vor Kälte nicht mehr in der Lage waren zu bremsen. Das Gefühl in den Füssen hatte sich bereits vor einiger Zeit verabschiedet, die Ballen waren Kältetaub.

Nässe, Fahrtwind und Kälte ergeben ein unschlagbares Trio. Die anfangs asphaltierte Straße wurde zum Schotterweg dann Schlammpiste. Riesenschlaglöcher erforderten Mountainbikefeeling wie im Gelände, um nicht über den Lenker zu fliegen. Oft lag auf der einen Seite des Weges die Bergflanke, auf der anderen Seite ging es steil bergab zum Fluss hinunter, welcher zwar zu hören, jedoch nicht zu sehen war. Einen Platz um das Zelt etwas abseits aufzuschlagen gab es, soweit es bei den Sichtverhältnissen zu beurteilen war, nicht.

Irgendwann in der Nacht hörte der Regen auf und der sternenklare Himmel samt Mond erzeugten ein unheimlich schönes Gefühl.
Bald ging es wieder berauf, ein kleiner, nirgendwo erwähnter Pass forderte seinen Tribut. So ging es teilweise direkt am Fluss namens Chandra entlang in einen Kessel umrandet von Fünf- und Sechstausendern. Ein Felsen direkt über den Fluten lud zur dringend benötigten Rast ein. Müsliriegel, Isostar und ein bisschen kalte Gemüsebrühe, dann ging es weiter.

Nach 16:42 Std., davon 13:18 Std. auf dem Sattel, 126,5 km mit 2962 Uphillmetern und 1748 Downhillmetern erreichte ich völlig fertig, aber glücklich gegen 2 Uhr nachts Keylong. Die erste Tour ging also über etwas mehr als die beiden ersten geplanten Etappen.

Ja ja, so ist das, wenn man einen riesengroßen Fehler macht! Mein Zelt hatte nur 75 DM gekostet und hielt angeblich einer Wassersäule von 400 mm stand.

In Keylong übernachtete ich in einem Gemäuer welches zu einer Seite hin offen war. Zwei Stunden später weckten mich die Sonnenstrahlen und um 7 Uhr öffnete ein kleines Hotel. Der Tag gehörte überwiegend dem Bett. Ein Ruhetag zur Akklimatisation folgte hier auf ca. 3300 Metern Höhe.

Ein kleines Internetcafe gab Gelegenheit den Lieben in Good Old Germany kurz vom Beginn der Tour zu berichten. Die folgenden Tage würde es keine Möglichkeit dazu geben.

Freitag, 13.07.2001

Ein wunderschöner sonniger Tag lädt zum radeln ein, in den Mittagsstunden glüht die Sonne senkrecht, mit 34-38 Grad vom Himmel. Traumhaft schöne Schluchten und Berge säumen die Fahrt.

Immer wieder trifft man auf Straßenarbeiterinnen und Straßenarbeiter. Es ist total beeindruckend was diese Menschen hier leisten müssen, um zu überleben. Es geht über einige Fluss- und Bachüberquerungen, teilweise bis zu ca. vierzig cm tief.

Die letzten Kilometer zehren an den Kräften, da die Straße zunehmend schlechter und die Luft immer dünner wird. An einer Baustelle geht es für ca. 200 m durch tiefen Schlamm. Das beladene Bike ist nur mit viel Mühe hindurchzuzerren.

Der Zielort heute heißt Zing Zing Bar (4150 m). Er besteht aus einem Haus/Hütte. Zirka achtzig Zentimeter hohe, loser aufeinander gestapelter Steine, bilden rechteckige Steinmauern. Sie werden von einer alten Plastikplane bedeckt. Die Straßenarbeiterinnen und Straßenarbeiter schlafen dort! Der Boss lebt im Haus. Darin befindet sich auch eine Küche und Esssaal.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter nehmen mich sehr freundlich auf, bitten um ein Gespräch und servieren heißen Buttertee. Mein Zelt findet hinter dem Haus unter einem Wellblechdach platz. Glück gehabt, denn nachts regnet und donnert es gewaltig.

Um fünf Uhr werde ich mit einem heißen Tee geweckt. Die Gesamtfahrzeit für die Etappe belief sich auf 7:50 Std. wobei 5:40 Std. geradelt wurden. Die Strecke betrug 56, 8 km wobei 1346 hm zu überwinden und 386 hm hinuntergerollt werden konnten.

Samstag, 14.07.2001

Der Baralacha-Pass (4981 m) steht heute bevor. Zu Beginn der Fahrt nehme ich mir vor die fehlenden 19 hm einen Berg hinaufzusteigen um zum ersten Mal auf 5000 m Höhe zu sein.

22 km Uphill liegen zum Teil sichtbar in Serpentinen gewunden vor mir. Ab 4500 m Höhe beginnen leichte Kopfschmerzen. Die letzten 3-5 km sind in der heißen Sonne wirklich hart. Die Kopfschmerzen nehmen zu, sind aber durchaus noch erträglich.

Die Abfahrt entschädigt für alles, einfach grandios! Außerdem stehen unterwegs irgendwo drei Zelte am Wegesrand. Es gibt Reis mit Gemüse und Getränke – herrlich!

Kurz vor Sarche steht ein Zeltdorf mit Nobelzelten zum Mieten bereit, also mit „Hot Shower“ (welche wie immer kalt sind) und Küchenzelt in der Mitte am Wegesrand. Oh happy day. Die Zeltstadtbesitzer sind völlig freundlich, wissbegierig und hilfsbereit. Alle drei haben ein abgeschlossenes Hochschulstudium, müssen sich jedoch auf diese Art und Weise durch das Leben schlagen.

Die Gesamtfahrzeit betrug an diesem Tag 6:30 Std., wobei das Hinterteil 4:14 Std. dem Sattel schmeicheln durfte. 41 km wurden zurückgelegt wobei es 817 Meter hoch und 423 Meter runter ging. Die max. Höhe betrug 4981 m. Die 19 hm konnte ich mir am Pass verkneifen. Morgen kommt ja der erste 5000er. Der Verstand ist schlau, er findet immer eine Ausrede.

Sonntag, 15.07.2001

Die Abfahrt über Sarchu und Whiskeybridge ist einfach nur toll. Plötzlich beginnen die Kehren hoch Nikli-Pass (5050 m). Den ganzen Tag fahre ich mit Beinlingen, da gestern die Oberschenkel etwas rot geworden sind. Ab 4500 m fangen erneut die Kopfschmerzen an. Bei 4800 m kommt der zweite Schub. Während einer Pause sehe ich, dass mein Hinterrad im heißen Teer eingesunken ist. Der Teer umschließt die ersten 1-2 cm der Speichen. Es dauert über eine Stunde in glühender Sonne um den Papp halbwegs abzubekommen (noch heute zieren Reste das Bike). Danach bin ich so fertig und schmeiße eine Aspirin ein.

Der Pass zieht sich und zieht sich, irgendwann kann ich nur noch heulen, denke an meinen Sohn Janosch, meine Tochter Marie, an Ulli und liebe Freunde – es geht weiter. Die Abfahrt vom Nikli-Pass ist ca. 6 km lang und vernichtet 160 hm. Dann folgt die Auffahrt zum zweiten 5000er dieses Tages, den Lachulung-Pass (5065 m). Nach meinem Gefühl ist die Auffahrt wesentlich länger und höher als die Abfahrt vom Nikli. Die Höhenangaben stimmen wohl nicht ganz. Die letzten 4 km ist Schieben angesagt, da loser Schotter aufgefüllt ist, die Straße ist im Bau befindlich.

Absolut am Ende erreiche ich den Pass. Unterwegs habe ich es so gehalten wie immer: „Wenn du nicht mehr kannst, dann fahre einfach weiter.“ Und wenn du gar nicht mehr kannst, dann lächle und fahre weiter. So klappt es bislang immer.

Auf der Passhöhe ist es stürmisch und kalt (8°). Aber die Abfahrt nach Pang macht vieles wieder wett, fast vergessen, traumhaft, einfach grandios. Pang ist eine kleine Zeltstadt, dort übernachte ich in einem Mehrpersonenzelt als einziger Gast bei zwei freundlichen Ladakhies.

Die Gesamtzeit betrug 11:50 Std. wovon 7:25 Std. gefahren wurde. Der Tacho verabschiedete sich, jedoch betrug die Distanz ca. 92 km. 1300 hm ging es rauf und runter.

Montag, 16.07.2001

Um 7:35 Uhr verlasse ich die freundlichen Ladakhies. Der Weg führt 250 Höhenmeter serpentinenartig hinauf zur Hochebene. Diese erstreckt sich über ca. 40 km, wobei im Verlauf der Ebene ca. 100 Höhenmeter abwärtsgefahren werden. Den ganzen Tag herrsch Rückenwind, eine traumhafte Fahrt.

Kurz nach dem Schild „19 km bis zum Pass“ geht es hoch, das Ziel ist bereits sichtbar. Aufgrund der besseren Akklimatisation fangen die Kopfschmerzen erst bei 4950 m an. Eine Aspirin genügt um den Schmerz zu vertreiben. Eine alte Bergsteigerregel besagt ja, dass wenn du mit zwei Aspirin am Tag klarkommst, dann ist es o.k. Auf der ganzen Tour benötigte ich nicht wirklich zwei Tabletten, also völlig im grünen Bereich.

Ab 5000 Meter Höhe werden die Pausen häufiger und länger. Um 16 Uhr erreiche ich die Passhöhe des Taglang La (5360 m). Ausnahmsweise ist es nicht besonders kalt oder windig. Die Auffahrt war nicht so anstrengend wie die Tage zuvor, da des Öfteren eine Wolke die Sonne verdeckte.

Die Abfahrt nach Upshi (in Gya gab es keine Übernachtungsmöglichkeit – außer Zelt) ist ultimativ genial! Von 5360 m, dem zweithöchsten Pass der Erde geht es hinunter auf 3540 m. Die Gesamtfahrzeit betrug inklusive der Pausen 11:45 Std. wobei ca. 125 km zurückgelegt wurden (Tacho defekt). 1007 Höhenmeter hinauf und 1988 runter.

Dienstag, 17.07.2001

Die 52 km von Upshi nach Leh sind anstrengender als erwartet. Es ist bewölkt und sehr schwül. Im Industal herrscht nun viel Verkehr.
Endlich in Leh angekommen nimmt man zunächst einmal wieder viele unangenehme Gerüche wahr. Es stinkt fast wie in Delhi. Auch ist es laut hier, die Ruhe der Tour ist beendet. Bettelnde Frauen und Männer säumen wieder den Straßenrand. Das Quartier im „Old Manali Guest House“ ist o.k., auch wenn wieder zu viel mit dem Schild „Hot Shower“ versprochen wird.

Die Gesamtfahrzeit betrug 4 Std. wobei 52 km zurückgelegt wurden. Ca. 416 Höhenmeter hinauf und 311 bergab.

Mittwoch, 18.07.2001

Ein Regenerationstag wird in Leh eingeschoben, Zeit zu mailen.
Ständig wird die Leitung unterbrochen bzw. ist Stromausfall. Zwei Mails schaffen den Weg, um eine kurze Mitteilung an die Lieben daheim zu senden.

Donnerstag, 19.07.2001

Um 6:30 Uhr startet die Königsetappe zum Dach der Welt für Mountainbiker, dem Kardung La mit seinen 5602 m Höhe. 40 km bergauf stehen bevor. Dies jedoch zum ersten Mal ohne Gepäck, das liegt im Guest House. Lediglich ein kleiner Daypack ist dabei. Nach gut einer halben Stunde die erste Panne, ein Plattfuß, natürlich hinten. Ein kleiner Dorn steckte im Mantel, welcher sich jedoch mit der Zange entfernen ließ. Die Sonne brennt mit bis zu 38° vom Firmament, kein Schatten weit und breit, keine Wolke ziert das Blau.

Die ersten 20-25 km laufen sehr gut, es ist noch nicht so heiß, der Asphalt ganz o.k. Die letzten 15 km ist der Belag waschbrettartig, der Teer schmiert, so weich ist er. Der Kardung La zieht und zieht sich, auch wenn man meint gleich da zu sein, da die Passhöhe recht früh sichtbar ist, so zieht sich die Straße jedoch immer wieder in Windungen in Bergeinschnitte hinein. Ab ca. 5300 m melden sich ganz leichte Kopfschmerzen, die Akklimatisation scheint dennoch geklappt zu haben.

Der „Kaiserpass“ verlangt mir alles ab, hatte es mir ohne Gepäck leichter vorgestellt. Habe den Kollegen wohl ein wenig unterschätzt, nun holt mich die Realität auf den Boden zurück.

Nach ca. 9 Stunden erreiche ich die Passhöhe, ein Glücksgefühl durchströmt den ganzen Körper.
Auf der Passhöhe steht ein kleiner Tempel, der höchstgelegene der Welt. Dort hinterlege ich in den Händen einer Buddhastatue einen kleinen Stein, welcher aus dem Himalaya stammt, er war ein Geschenk einer lieben Freundin, welche damals sagte das es heißt wer diesen Stein besitzt, der bringt ihn zurück in den Himalaya. Buddhas Hände im höchsten Tempel der Erde schien mir ein angemessener Ort zu sein.

Auf der Passhöhe sammelte ich kleine Steine, um selbige ebenfalls an Freunde zu verschenken. Vielleicht kehren ja auch sie einmal wieder in den Himalaja zurück.

Der Blick hinüber nach China ist überwältigend. Der Blick in die andere Richtung fällt automatisch auf den Stok Kanghri, einen Gipfel mit 6150 m Höhe. Auf selbigen sollte ich wenige Tage später stehen.

Die Abfahrt dauerte ca. 1 Stunde … berauschend!

Gesamtfahrzeit incl. Reparatur ca. 10 Std. wobei 82 km zurückgelegt wurden. Die Uphillmeter und Downhillmeter sind identisch, je 2100.

Freitag 20.07.2001

Ein Tag in Leh, um das Equipment für die Besteigung des Stok Kanghri (6150 m) zu besorgen.

Stok Kangri 6150m

Mit geliehener Ausrüstung.

  • Stok-Kangri

Solo auf den Stok Kangri – 6150 m

Eine kleine Vorgeschichte

Nachdem ich im Reiseführer gelesen hatte, dass man den Berg auch alleine besteigen kann, machte ich mich auf zum „Tourist Office“ von dem es in Leh zahlreiche gibt.

Auf meine Frage ob es möglich sei den Stok Kangri allein zu erklimmen gab es folgende Antwort: „Yes Sir, no problem!“ Danach fing der gute Mann an aufzuzählen was ich alles benötigen würde: ·einen Bergführer ·zwei Pferde ·ein Kochzelt ·Proviant ·Ausrüstung wie Gletscherstiefel, Steigeisen, Rucksack, Gamaschen und Pickel etc. Summa summarum 330 $. Auf meinen Einwand hin allein gehen zu wollen sagte er dann mit großzügiger Miene: „O.K. Sir: 300 $.

Tja, also ins nächste Office. Dort bekam ich zunächst die gleiche Antwort, dass es gut möglich sei allein den Gipfel zu erreichen, alles zusammen inklusive Bergführer 160 $. Ohne Proviant sei auch 150 $ möglich.

Nun hatte ich die Faxen dick und machte mich auf die Suche nach einem Ausrüstungsverleih (hatte ja nur Radsachen dabei). Noch am selben Tag fand ich einen Laden mit der Aufschrift „OUTDOOREQUIPPEMENT“ was sich recht viel versprechend las, also hinein. Ein toller Rucksack von Lowe, Steigeisen, Gamaschen, Pickel waren vorhanden, jedoch haperte es mit den Schuhgrößen. Der Mann teilte mir mit, dass sein größtes Paar Schuhe unterwegs seien jedoch erst morgen wieder zurück sind. Also gut, am folgenden Tag wieder hin. Und tatsächlich, sie passten fast (etwas zu kurz), zumindest so, dass es mir möglich erschien mit nur wenigen Blasen davonzukommen. Zudem konnte ich die geliehenen Steigeisen am nächsten Tag umtauschen, da sie zu den größeren Schuhen nicht passten.

Meine Mountainbikeschuhe wurden durch neue Turnschuhe der gefakten Marke Nike ersetzt, welche leider auch nicht in meiner Größe zu haben waren, jedoch ließ es sich mit einem kleinen Loch im Zehenbereich dann ganz gut wandern.

Samstag, 21.07.2001

Endlich war es dann so weit. Mit dem Taxi ging es nach Stok.
Anschließend per pedes bis zum Yak Camp.

Sonntag, 22.07.2001

Aufstieg zum Base Camp.

Montag, 23.07.2001

Allein bei Nacht im Himalaja. Um 0:25 Uhr begann die Bergtour. Um 7:25 Uhr stand ich auf dem Gipfel des Stok Kangri.

Nach dem Verlassen des Base Camps, geht es zunächst auf eine Höhe von 5025 Meter. Kurz danach erreicht man den Gletscher. Dort angekommen wechselte ich die Sportschuhe gegen die Gletscherstiefel aus. Es dauert lange, da die Hände bei ca. 6° recht kalt geworden waren.

Jetzt geht es über Geröll, Schnee und Eis. Einige Gletscherspalten sind zu überqueren. Das Licht der Taschenlampe ermöglicht kaum eine Orientierung. Nach gut einer Stunde entdecke ich Lichter vor mir. So schnell es geht laufe ich darauf zu. Es sind Sara Rose und Joana aus Neuseeland. Beide sind total nett und wir beschließen den Rest des Aufstiegs gemeinsam zu bewältigen. Bald darauf treffen wir auch noch einen indischen Guide mit seinem auszubildenden Bergführer und einigen Studentinnen. Die Gruppe hatte ich bereits im Yak Camp kennengelernt.

Sara Rose übernimmt zunächst die Führung. Sie war bereits früher schon einmal auf dem Gipfel. Keine Handschuhe und das Thermometer sinkt auf minus einen Grad. Na ja, die Besteigung des Stok Kangri war ja nicht geplant, sondern völlig spontan.

Mit Pickel und Steigeisen geht es immer höher. Zwischendurch gibt es immer wieder kleinere Klettereinlagen auf Felsen und Geröll. Mit Steigeisen an den Schuhen durchaus eine kleine Herausforderung.

Beim Sprung über eine Gletscherspalte fällt mir eine mit Isostar gefüllte Flasche aus den kalten Händen. Joana und Sera Rose bieten mir ihre Getränke an. Ohne hätte ich es nicht schaffen könne. Wie gesagt, zwei wunderbare Neuseeländerinnen.

Die beiden Frauen hatten in den letzten Wochen schon einige Fünf- und Sechstausender bestiegen. Sie waren ultrafit. Sie munterten mich immer wieder auf, auch wenn es die letzten fünfzig Höhenmeter für mich nur noch langsam voranging.

Zum Glück hatte die Himalajaüberquerung mit dem Mountainbike mich gut akklimatisiert. Weder Kopfschmerzen noch sonstige Zeichen von Höhenkrankheit waren auszumachen. Aber Radfahren und Bergsteigen sind sehr unterschiedliche Tätigkeiten. Zudem hatte ich sehr wenig getrunken, da ich die Getränkevorräte der beiden nicht unnötig leeren wollte.

Dann hörten wir Freudenschreie. Die indischen Bergführer hatten, zusammen mit ein paar Studentinnen, den Gipfel erreicht. Einige der jungen Frauen gaben unterwegs auf und machten sich auf den Weg zurück ins Base Camp.

Jetzt gibt es kein halten mehr. Auch wenn wir die Gipfelstürmer aufgrund des Nebels nicht sehen konnten, verrieten uns die lauten Freudenschreie, dass es nicht mehr weit sein konnte. Alle Müdigkeit fiel schlagartig ab und wir „flogen“ die letzten Höhenmeter hinauf.

Nach Luft ringend und äußerst kurzatmig erreichten wir den Gipfel. Glücksgefühle ließen Tränen über die Wangen rollen. Wir umarmten uns überglücklich. Einfach unbeschreiblich …

Sieben Stunden bergauf und das in Höhen von 5000 bis 6150 Metern. Die Glücksgefühle ließen alle Strapazen hinter sich. Die Inderinnen und deren Bergführer hinterließen Gebetsfahnen auf dem Gipfelaltar. Wir tauschten Schokolade, Kekse und Müsliriegel aus.

Die Studentinnen und die beiden Inder sangen wunderschöne Lieder. Auch wenn wir drei kein Wort verstanden habe, so berührten sie dennoch unsere Herzen. Manch eine weitere Träne liebkoste unsere Wangen. Der Duft von Räucherstäbchen tat sein Übriges.

Sieben Stunden Aufstieg, davon rund fünfeinhalb Stunden im Schnee und Eis. Wir sind einfach nur glücklich.

Eine kleine Fotosession folgte. Mutig ließ ich mich auf dem höchsten Punkt des Gipfels fotografieren, auch wenn es dahinter senkrecht in die Tiefe geht.

Die ersten Morgenstunden konnten wir im Sonnenlicht genießen. Jetzt waren wir von Nebel umgeben. Die Aussicht war somit leider sehr begrenzt.

Nach einer guten halben Stunde auf dem Gipfel machen wir uns auf den Rückweg. Einen Teil des Gletschers rodeln wir auf den Hosenboden hinab. Den Pickel immer griffbereit, um ggf. eine Notbremsung durchzuführen.

Nach rund vier Stunden erreiche ich das Base Camp. Sara Rose und Joana hatten das BC schon einiges eher erreicht.

Dienstag, 24.07.2001

Bei teilweise heftigem Regen ging es in gut vier Stunden zurück nach Stok. Ein Lastwagenfahrer nahm mich mit zurück nach Leh.

Jetzt, wo ich dies schreibe, rollt noch immer die ein oder andere Glücksträne über weine Wangen.

Mein Herz ist voller Dankbarkeit all das erlebt haben zu dürfen.