Tag 12
Durch das Gletscherspalten-Gebiet hinauf auf 6250 Hm. Das Zelt aufgebaut und … Good God … wo ist der Kocher und die Gaskartuschen?
Hatte die Gaskartuschen im Camp 1 unter der Apsis (Eingang) im Schnee verbuddelt. Im Schnee wird das Gas nicht so kalt wie im Zelt. Somit steht beim Kochen oder Schneeschmelzen mehr Energie zur Verfügung.
In einer Plastikflasche füllte ich Schnee. Die Flasche nahm ich mit in den Schlafsack und wärmte sie am Körper. Das Ergebnis waren ca. 100 Millilitter Wasser am kommenden Morgen!
Tag 13
Also Abstieg zum Hochlager eins, Kocher und Gas, zudem dies und das eingepackt und wieder durch das Spaltengebiet zum Camp auf gut 6250 Meter Höhe. Einen Tag verloren!
Da ich alleine unterwegs war, richtete ich Zwischenlager ein. Hier war ich also mutterseelenallein. Rund 4 Stunden hatte ich benötigt um eine Ebene für mein Hilleberg-Zelt zu schaffen. Jetzt stand es da und ich konnte einziehen. Gerade früh genug um das Gewitter meines Lebens im Zelt zu überleben!
Es donnerte und blitze, der Himmel war fast schwarz. All dies am Nachmittag.
Also
- Pickel, Steigeisen, Schneeschuhe ein paar Meter vom Zelt entfernt im Schnee eingraben
- Matte, Schlafsack, Rucksack unter meinem Körper und hoffen, dass ggf. die Isolierung zum Schnee hin reicht
Wunderschön
- Ich ließ es mir jedoch nicht nehmen den Eingang etwas zu öffnen um das Naturschauspiel zu bewundern
- Einfach unglaublich diese Gewalten!
Tag 14
In der Nacht musste ich zwei Mal das Zelt vom Schnee befreien, es schneite einfach Unmengen.
Tag 15
Aufstieg zum Hochlager 3 auf gut 6888 Meter Höhe.
- Schweizer Bergsteiger kamen mir entgegen. Sie hatten trotz Bergführern und Trägern die Expedition abbrechen müssen. Sie hatten ca. 7100 Meter Höhe erreicht
- Ebenso erging es der österreichischen Expedition, sie erreichten gut 7000 Hm
Im Hochlager 3 Angekommen bauten zwei Franzosen Ihr Zelt ab. Sie brachen dort die Besteigung ab. Beim Zeltabbau half ich ihnen mit. Anschließend konnte ich ihren waagerechten Zeltplatz nutzen.
Es standen noch einige unbewohnte Zelte dort. Diese hatten Träger für andere Expeditionen dort aufgebaut. Somit war ich allein.
Tag 16
Aufstieg auf 7200 Meter Höhe. Gut eine Stunde verbrachte ich dort um mich für den Gipfeltag zu akklimatisieren. Um ein Foto von meinem Höhenmesser zu machen stand ich auf. Das Bild hielt die Höhe von 7201 Meter fest. Zurück zum Hochlager 3.
Am späten Nachmittag erreichte Herbert, ein deutscher Bergführer mit 8000er Erfahrung das Camp. Er hatte vier Deutsche und einen Träger im Schlepptau.
Tag 17
Der perfekte Plan und die unperfekte Umsetzung!
Der Plan
- Vor dem Einschlafen den Rucksack mit Ausrüstung packen
- Den extradünnen Ortliebsack (70 L und 135 Gramm) für das Depot ins Top legen
- Die Teleskopstange (80 cm und 30 Gramm) außen am Rucksack befestigen
- Sechs Uhr aufwachen
- Schnee schmelzen und erhitzen
- Einen Liter Isostar für das Frühstück herstellen
- Vier Thermoskannen a 1 Liter samt Isostar befüllen
- Isostar und Power Bar, so viel wie geht, zu mir nehmen
Sechs Lagen am Oberkörper anziehen
- Funktionsunterhemd
- Funktionsshirt Kurzarm
- Funktionsshirt Langarm
- Polartec Pullover
- Gore Tex Jacke
- Daunenjacke
Außerdem
- Ein Halstuch kurz
- Ein Fleecehalstuch
- Eine Gesichtsmaske superdick
- Drei paar Handschuhe (das erste Paar hat man immer an)
- Dicke Socken
- Seidenunterhose
- Lange Unterhose
- Dickwattierte lange Überhose
- Regenhose (gegen Wind und Kälte)
- Expeditionsstiefel (gehen bis unter die Knie)
- Dünne Mütze
- Dicke Mütze
- Gletscherbrille
- Skibrille (manchmal benötigt man Gletscher und Skibrille gleichzeitig)
- Walkingstöcke
Extras
- Rucksack inklusive allerlei Dingen wie die Verpflegung, Steigeisen, Pickel etc.
Tag 18
Sechs Uhr aufwachen
Die Outdooruhr zeigt als tiefste Temperatur der Nacht minus 29 Grad an
Schnee schmelzen und frühstücken
Anziehen – um 8 Uhr soll es losgehen
Unperfekte Planumsetzung
Gegen acht Uhr ist alles startklar. Die Uhr im Vorzelt zeigt lediglich minus 15 Grad an. Ich ändere meinen Plan.
Im Zelt bleiben:
- Ein Funktionsshirt
- Das dritte paar Handschuhe
- Die lange Unterhose
- Um Zehn Minuten nach acht geht es los, die Gipfeletappe.
- Zwischen zehn und elf Uhr kommt die Sonne über den Berg, dann wird es wärmer.
Unbeschreibliche Kälte
Nach ca. einer Dreiviertelstunde war mir so kalt, dass die Arme immer wieder unwillkürliche Bewegungen machten. Schüttelattacken erfassten den ganzen Körper. Die Beine gehorchten nicht immer dem, was sie tun sollten, einfach bergsteigen.
Noch nie in meinem Leben habe ich so gefroren! Somit beschloss ich zum Hochlager 3 auf 6888 zurückzukehren.
Dort angekommen hat es Stunden gedauert bis es wieder halbwegs warm wurde. Ich beschloss abzusteigen.
Im Hochlager 2 traf ich einen Bergführer aus Chamonix, welcher mit ein paar Freunden ebenfalls versuchen wollte den Mutztagh Ata zu besteigen. Er fragte ob ich „Ottmar / Otto (Spitzname)“ sei. Als ich mit „ja“ antwortete berichtete er, dass Genping und sein Koch im Base Camp sich Sorgen um mich machten.
Somit beschloss ich weiter abzusteigen. Um kurz vor Mitternacht erreichte ich das BC. Genping und der Koch standen vor dem Küchenzelt. Sie freuten sich so, drückten mich und…
Genping verschwand kurz und kam mit einer Dose chinesischem Bier zurück und sagte: „Because you are a German man“. Auch wenn die Lippen völlig von der Sonneneinstrahlung ausgedörrt waren, trinken kaum vernünftig möglich war… das beste Bier in meinem Leben!
Der unglaubliche Koch verschwand während ich Genping von den letzten Tagen berichtete… und er kam wieder… mit einem prallgefüllten Teller Nudeln und Gemüse aller Art! Leider weiß ich seinen Namen nicht mehr, aber er und Genping werden immer als wunderbare Menschen in meinem Gedächtnis bleiben.
Tag 19
Ausschlafen, Essen und die Seele baumeln lassen. Folgte einer Einladung zu den Nomaden, welche ein Zelt neben dem Base Camp haben. Auch wenn die Uiguren kein Wort Englisch oder gar Deutsch sprechen… ich kein Wort Chinesisch oder gar uigurisch spreche… wir haben beim Tee viel gelacht. Der heiße Ofen tat sein übriges.
Tag 20
Zürück nach Kashgar.
Fehler & Co. → Zwei dicke Fehler
1. Fehler
Habe einen Tag verloren, da ich den Kocher und die Gaskartuschen im Hochlager 1 vergessen hatte.
2. Fehler
Oft hatte ich gelesen, dass der Sauerstoffmangel in der Höhe zum einen zur Leistungsminderung und zum zweiten zu einem deutlich vermehrten Kältegefühl führt.
Auf ca. 7000 Meter Höhe hat man noch rund 40 Prozent Leistungsfähigkeit. Auf dem Mount Everest noch ca. 30 Prozent. Das Entscheidende bei mir war eindeutig die enorm gefühlte Kälte. Sie zwang mich zum Abbruch.
Natürlich hätte ich einen weiteren Versuch am nächsten Tag machen können. Ab ca. 5500 Meter Höhe gibt es keine Regeneration mehr. Zwei Nächte im Hochlager 3 auf 6888 Hm zehren nicht nur an den körperlichen Reserven. Die geistigen Fähigkeiten reduzieren sich weitestgehend auf das Überleben.
Gerüchte?
Ich weiß es nicht. Beim Aufstieg zu Hochlager 3 kamen mir zwei Träger und eine Frau entgegen. Sie befanden sich auf dem Abstieg. Die Frau hatte ihre Arme um die Hälse der beiden Männer gelegt. Ihre Beine schliffen über das Eis. Sie trug eine Sauerstoffmaske.
Wie ich später erfuhr sollen in dem Sommer drei Personen am Vater der Eisberge, dem Muztag Ata gestorben sein … ich lebe … alles gut!